Was muss ein guter Lehrer können?

von FOCUS-Redakteur Thomas Röll

Die Ansprüche an die Pädagogen wachsen ständig. Längst sollen sie mehr sein als reine Wissensvermittler. Nicht jeder ist dieser Aufgabe gewachsen.

Gerecht, durchsetzungsfähig, menschlich, humorvoll, streng, fachlich kompetent und geduldig – fragt man Schülerinnen und Schüler, wie sie sich den idealen Lehrer vorstellen, erhält man erstaunlich präzise und übereinstimmende Antworten. Die Betroffenen wissen genau, was sie wollen, und – auch das eine regelmäßig wiederkehrende Aussage – erkennen bereits nach wenigen Unterrichtsstunden, ob ein Pädagoge ihre Erwartungen erfüllt oder nicht.

Die jungen Menschen haben allen Grund, anspruchsvoll und kritisch zu sein. Hängt doch von der Qualität des Lehrenden sehr unmittelbar ihre persönliche Zukunft ab. Bis zu einem Schuljahr, fanden US-Forscher heraus, kann der Leistungsvorsprung betragen, den ein Top-Pädagoge im Gegensatz zu einem schwächeren Kollegen bei seinen Schülern generiert. Hat ein Kind aus einkommensschwachen Verhältnissen für fünf Jahre einen sehr guten Lehrer, so gleichen sich seine Bildungschancen im Vergleich zu einem Kind aus einer wohlhabenden Familie mit durchschnittlich gutem Lehrer aus.

Vater, Mutter, Psychologe und Polizist

Ein Lehrer, das ist Teil des Problems, soll heute allerdings viel mehr sein als ein reiner Wissensvermittler: Er soll, wie es der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Josef Kraus, einmal drastisch ausdrückte, „gleichzeitig Vater, Mutter, Psychologe, Polizist und Lehrer“ sein. Und nebenher soll er noch die sozialen Kompetenzen und das Wertesystem seiner Eleven stärken, ihnen je nach aktueller Nachrichtenlage Wirtschafts- oder Medienkompetenz vermitteln und individuelle Tipps für den späteren Berufsweg geben.

Wer das alles von einer Person erwartet, kann nur enttäuscht werden. Der eierlegende Wollmilch-Pädagoge muss erst noch erfunden werden. Traurige Realität ist aber auch, dass ein beträchtlicher Teil der Lehrer nicht einmal den normalen Anforderungen des Schulalltags gewachsen ist. Unterschiedlichen Studien zufolge klagen zwischen 30 und 60 Prozent des Lehrpersonals über psychische und physische Überlastung und stehen eigener Einschätzung nach kurz vor Ausbruch eines Burn-out-Syndroms.

Auch vom frommen Wunsch der Bundesbildungsministerin Annette Schavan, die Besten mögen Lehrer werden, sind wir weit entfernt. Im Gegenteil: Eine Studie des Münchner Ifo-Instituts kam zu dem Ergebnis, dass eher Abiturienten mit mittelmäßigen Noten den Lehrerberuf anstreben.

Die Mär vom stressfreien Halbtagsjob

Ein Teil, auch das ergab eine Untersuchung, beginnt seine Ausbildung zudem mit völlig falschen Vorstellungen. „Viele halten den Lehrerberuf für einen Halbtagsjob, für den man nicht viel machen oder wissen muss“, konstatiert der Frankfurter Bildungsforscher Udo Rauin. Es werde zu wenig dafür getan, die tatsächlichen Anforderungen schon im Studium zu stellen und Studierenden zu raten, besser die Finger davon zu lassen, wenn man deutliche Überforderungen feststelle, beklagt der Experte. Denn, auch das eine Erkenntnis Rauins, wer sich bereits an der Hochschule überlastet fühlt, hat meist auch im Beruf große Probleme.

Dass längst nicht jeder Interessent für den Lehrerjob geeignet ist, weiß auch Manfred Prenzel, der an der TU München die Lehrerausbildung leitet. Soziale Kompetenz, Belastbarkeit, Führungskompetenz, Teamfähigkeit, Geduld und Beharrlichkeit sind Eigenschaften, die er von den Studienbewerbern erwartet. „Ich würde niemanden zum Lehrer machen, der es nicht schafft, einem anderen Menschen ins Gesicht zu sehen“, sagt Prenzel.

Persönlichkeit kann man nicht lernen – andere Dinge schon. Die Bereitschaft, sich sein Berufsleben lang fortzubilden, sollte für Lehrer eigentlich selbstverständlich sein, findet Verbandspräsident Kraus. Aber bei so manchem Pädagogen, der seit Jahren die immer gleichen Folien auf den Overhead-Projektor legt, hat sich diese Erkenntnis noch nicht durchgesetzt. In solchen Fällen hilft Zwang. In Sachsen etwa, bei innerdeutschen Schulvergleichen immer in der Spitzengruppe, sind Weiterbildungen für Lehrkräfte verpflichtend, ebenso wie eine Vorbereitungswoche in den Sommerferien vor Schulbeginn. Nur wer selber bestens präpariert in den Unterricht kommt, so die Argumentation, kann die Erwartungen seiner Schüler erfüllen.


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